Viele Menschen haben immer noch zu wenig Verständnis dafür, was die eigentliche Aufgabe der Medien ist.
Und manche Menschen denken immer noch, wir müssten zurück in eine Zeit, als die Medien noch objektiv berichtet haben und die Menschen ehrlich informiert wurden. Im eigentlichen Sinn war es jedoch nie die Aufgabe der Medien einfach objektiv und ausgewogen zu informieren, wenn es um Themen ging, die von nationaler oder internationaler Bedeutung waren. Dies zeigt Walter Lippmann anschaulich, der in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschreibt, wie die Medien dazu da sind die eigentlichen «Gefahren», die sich durch die Demokratie ergeben, zu kontrollieren1. (Dazu mehr in einem weiteren Artikel.) Das bedeutet, dass die Medien weder in der Lage noch in ihrem Selbstverständnis einfach dazu da sind, den Menschen ein objektives Urteil zu erlauben. Offensichtlich wird dies bei den kürzlichen Zeitereignissen «CORONA und Russlandkrieg». Hier geht es, kurz gesagt darum, eine «Heimatfront» zu schaffen. Es gilt danach als unpatriotisch oder unsolidarisch, nicht mit der öffentlichen Meinung übereinzustimmen.
Viel weniger offensichtlich ist es bei weitergehenden Themen. Jedoch kann man sagen, dass eine objektive, umfassende und kontroverse Berichterstattung eigentlich nur bei Themen zugelassen wird, die keine tiefgehend relevante gesellschaftspolitische Bedeutung haben. Bei Dingen wie Wetter, Sport, Lokalpolitik, einer bestimmten Auslandberichterstattung, der Gemeindepolitik, Wirtschaft und Kultur, lokalen Skandalen etc., wird durchaus eine kontroverse Sichtweise zugelassen. Grob gesagt bei allem, was keine ernsthafte Infragestellung der Machtverhältnisse bedeutet. Besonders wichtig ist es zu verstehen, dass es nicht die Aufgabe der Medien ist «objektiv informierte» Bürger zu schaffen, sondern in einer bestimmten Weise «eingestellte», und das nennt Noam Chomsky manufacturing consent2.
Das Propagandamodell von Noam Chomsky erlaubt eine gute Erfassung dieser Tatsachen: Was immer von den grossen Medien verbreitet werden soll muss durch verschiedene Filter, oder «Gatekeeper» hindurch, bevor es die Masse der Bevölkerung erfährt. Es ist nicht einfach Desinformation oder Zensur, was die Massenmedien tun, das griffe zu kurz. Es ist viel komplexer und vielschichtiger. Dabei geht es vor allem darum, was nicht gesagt wird. Es geht darum, wie etwas gesagt wird. (Framing) und es geht darum von wem es gesagt wird (ad hominem Argument). Natürlich geht es um die Rahmenerzählung. So werden, grob gesagt, die Medien zusammen mit den Politikern darüber orientiert, was von ihnen erwartet wird. Es wird ihnen dabei von bestimmten Eliten, Thinktanks, grossen Lobbys und internationalen Organisationen klargemacht, was sich grosse Werbeunternehmen, Aktionäre, und nicht zuletzt die grossen Wirtschaftsakteure wünschen, damit die bestehenden Machtverhältnisse aufrechterhalten und gegebenenfalls verändert werden können. Das Propagandamodell von Noam Chomsky unterscheidet dabei 5 Filter:
Der erste Filter sind die Besitzer der Massenmedien. Sie entscheiden, was überhaupt gesendet wird, und diese werden immer weniger durch die zunehmende Monopolisierung.
Der zweite Filter sind die Werbeeinnahmen. Medienunternehmen sind, zumal in den USA, mitbeteiligt an bedeutenden, noch weit grösseren Kooperationen, teilweise aus dem Werbebereich, aber auch aus der Waffenindustrie, Pharmaindustrie und vielen weiteren Bereichen. Das bedeutet, dass die Medien ein Produkt verkaufen müssen an diejenigen, die bei ihnen Werbeanzeigen schalten und ihre Produkte verkaufen wollen. Und natürlich richten sie sich dabei auch an ihre Kunden in den anderen Sektoren. Dieses Produkt sind die Leser. Diese Tatsache ist umso dominanter, wenn die Zeitungen nur von Werbeeinnahmen leben (wie z.B 20 Minuten). Man sollte deshalb grundsätzlich etwas bezahlen für Medien. Ansonsten bezahlt man in der Regel mit seinen Kundendaten.
Der dritte Filter sind die Quellen der Massenmedien. Die Medien sind darauf angewiesen, dass sie Interviews bekommen, Regierungsmeldungen, Meldungen der Depeschenagenturen (DPA) und einen Zugang zum Bundeshaus. Sie sind auf ein einvernehmliches Verhältnis zu den Regierungen und die sie vermittelnden Informationsquellen angewiesen. Wenn sie Berichte senden, die diese Regierungen verärgern, prinzipiell in Frage stellen, oder deren Kommunikation sabotieren, werden sie von ihren Quellen abgeschnitten. Depeschenagenturen wie Keystone-SDA sorgen dabei für eine Filterung und Selektion der Nachrichten. Regierungsquellen gelten als grundsätzlich vertrauenswürdige Quellen und werden bevorzugt behandelt.
Den vierten Filter nennt Noam Chomsky, Flak. Flak ist die Reaktion von Regierung und Verwaltung, wenn Medienmeldungen diese in Frage stellen. Ein gutes Beispiel ist die Reaktion des Chefs von Daniele Ganser auf sein Interview, das er dem Tagesanzeiger gegeben hat als Doktorand bei der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik an der ETH Zürich. Auch hier geht es um Exklusivrechte, Subventionen, und um Öffentlichen Druck. Wenn ein Autor oder ein Medium Themen aufgreift, welche machtpolitische Interessen des eigenen Staates in Frage stellen, wird er sanktioniert oder geframt.
Den fünften Filter bezeichnet Chomsky schliesslich als Ideologie. Man kann das auch Propaganda nennen. In den 20er und 30er Jahren war nichts anrüchiges oder politisch unkorrektes an dem Wort Propaganda. Es gibt gewissen ideologische Leitlinien, die gesellschaftspolitisch verinnerlicht sind. Dazu gehört bei den USA die Aussenpolitik gegenüber Ländern, die sie ihrer Hegemonie unterworfen haben, oder gegen die sie Krieg führen. Da wir in Mitteleuropa, und auch in der Schweiz schon seit Begründung des Bundesstaates zum westlichen Machtblock zählen, sind auch wir auf eine Kommunikation verpflichtet, die sich mit westlicher Machtpolitik einverstanden zeigt. Der Feind wird dabei schon seit mindestens 100 Jahren im Osten (Russland) verortet.
Sehr gut lässt sich das gegenwärtig an der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine zeigen. Hier ist es offensichtlich, dass die Aufgabe der westlichen wie auch der russischen Presse nicht ist, die Öffentlichkeit über das Thema objektiv zu informieren, sondern sie für eine bestimmte Seite zu mobilisieren. Es ist mit Händen zu greifen, wie die westlichen Medien den russischen Aggressor dämonisieren, moralisch verurteilen und delegitimieren. Entsprechend wird der Kampf gegen Russland als nicht zu hinterfragende, moralische Pflicht dargestellt. Da man nicht direkt zum Krieg aufrufen kann in Mitteleuropa, wird wenigstens zum Mittragen der Sanktionen und zur bedingungslosen allgemeinen Empörung aufgerufen. Es werden Säuberungen durchgeführt unter allen, die sich nicht dem herrschenden Narrativ beugen wollen. Alles in der heeren Absicht, «das Russische Regime Putins» zum Einlenken zu zwingen und die Ukrainische Bevölkerung zu befreien. Kriegspropaganda aus moralischer Intention.
Die Aufgabe der Medien ist hier grundsätzlich nicht Information, sondern Emotion. Es geht nicht darum Kriegsursachen, Absichten, Ziele und Vorgänge objektiv zu beleuchten, sondern für einen Krieg gegen die andere Seite zu mobilisieren. Da viele Intellektuelle genau verstanden haben, dass sie sich der offiziellen Denkungsart zu beugen haben, wenn sie entsprechende Förderung und Anerkennung erhalten wollen, stimmen sie in den Chor der Empörten mit ein. Zensur der Regierung ist dazu gar nicht nötig. Es reicht, dass die Medien die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung lenken, so dass es unmöglich wird sich öffentlich gegen eine bestimmte Gesinnung zu stellen. Und schon melden sich die intellektuellen Opportunisten, die einen Gewinn für sich in der einen oder anderen Solidaritätsbekundung erblicken zu Wort. Da Meinungsmacher und Funktionseliten wissen, was von ihnen erwartet wird und, dass sie von einer entsprechenden Berichterstattung abhängig sind, verhalten sie sich konform. Die übrigen Bevölkerungskreise fühlen sich nicht kompetent genug, um sich zu äussern, oder sie spüren, dass andere Ansichten nicht erwünscht sind und schweigen deshalb. So stabilisiert sich das System über Generationen hinweg und es wird einiges kosten einen strukturellen Wandel zu bewirken.
Lippman Walter, Die öffentliche Meinung, Wie sie entsteht und manipuliert wird, Hrsg. Walter Otto Ötsch und Silja Graupe, Westend Verlag, 2021
Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media is a 1988 book by Edward S. Herman and Noam Chomsky