David Wertheim Aymes, Unternehmer aus Südafrika über Dreigliederung
Bosun Group ist der führende Pflasterstein- und Betonfertigteilhersteller in Südafrika in Bezug auf Produktpalette und die Qualität
24. November 2024
IH: Lieber David, in deinem Interview in “Das Goetheanum” (https://dasgoetheanum.com/werkzeug-der-engel-werden/) vom 18. Juli 2024, beschreibst du dein Unternehmen der Bosun Group in Südafrika.
Im Interview erklärst du, wie du, ausgehend von herkömmlichen Unternehmensstrukturen wie Vertrieb, Marketing, Produktion, Betrieb, Buchhaltung, eine dreigegliederte Struktur entdeckt hast: «Ich kann anfangen, die traditionelle Struktur in eine dreigliedrige Managementstruktur umzuwandeln. Wir haben interaktive Sitzungen, um Entscheidungen zu treffen. Jemand ist der Kopf der Freiheit, jemand leitet die Gleichheit und ein dritter die Wirtschaft, und wir zeigen aus unserer jeweiligen Perspektive, was für eine Lösung für uns alle erforderlich ist. Wir treffen diese Entscheidung gemeinsam.»1 In deinem Unternehmen hast du daraufhin die Bereiche Freiheit, Wirtschaft (unterteilt in Relevanz und Effizienz) und Gleichheit etabliert. Was meinst du damit, wenn du sagst, du habest die Strukturen der Dreigliederung in deinem Betrieb entdeckt?
DA: Meine Grundfrage an das Unternehmen war: Kann man diese «Grundkräfte» von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sehen in einem Unternehmen und dann entsprechend «ordnen und wachsen lassen.»
IH: Du hast erwähnt, dass du Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in die traditionellen Grundstrukturen deines Unternehmens übertragen hast. Was verstehst du unter einer dreigliedrigen Managementstruktur?
DA: Ich mache ein Beispiel. Zur Freiheit: Unternehmen sind ja nicht in die Natur zu finden. Aber man kann sich fragen: was lebt im Menschen? Und was davon lässt sich bis in seine wirtschaftlichen Tätigkeiten weiterverfolgen? Wie lebt sich hier zum Beispiel der menschliche Individualismus aus? Weiter kann man sich fragen: Wie kann man den Menschen in einem Unternehmen einen Sinn für Wahrheit, Schönheit und Güte vermitteln? Wenn Menschen diese Aspekte des Lebens erfahren, können sie sich verändern. Wir können nicht ändern wie unsere Mitarbeiter sind. Aber wir können ihnen Wahrheit, Schönheit und Güte vermitteln. Wir können auch herausfinden, ob sie einen Sinn für diese Werte haben, wenn wir sie einstellen. Indem wir sie zum Beispiel zuhause besuchen, ihren Garten anschauen, beobachten, wie sie sich ernähren. Wie bewusst gehen sie mit sich und ihrer Umgebung um? Das «Wie» ist essentiell. Das ist mein Verständnis von Freiheit.
Dann kann man den Mitarbeitern spirituelle Konzepte näherbringen. Also zum Beispiel zentrale Aspekte der Anthroposophie (keine Steinervorträge). Dabei kann man darauf hinweisen, dass die Menschheit für die Natur dasselbe ist, wie das Licht für die Dunkelheit. Ohne den Menschen wäre die Natur nur Natur. Sobald der Mensch in der Natur auftaucht, tauchen auch Unternehmen (wirtschaftliche Strukturen) auf. Das Licht in mir ist eine Realität. Wenn die Menschen ihre Grossartigkeit der Natur gegenüber nicht erfahren, fehlt ihnen etwas Entscheidendes. Ihr Wesen führt die Menschen zu wirtschaftlichen Fragen und tatsächlich auch in die Rechtssphäre. So zieht sich die Natur zurück, wo die Menschen wirken, während Unternehmen aus dem Inneren des Menschen entstehen. Wenn man jede Woche ein paar Mitarbeiter aus einem Unternehmen entfernen würde, bis keiner mehr übrig wäre, könnte man äußerlich den langsamen Tod des Unternehmens und das Herannahen der Natur sehen. Gleichzeitig würde man innerlich das Eindringen der Dunkelheit spüren, wenn das Licht der Menschen sich zurückziehen würde.
Zur Brüderlichkeit: Hier kann man die Entdeckung machen, dass wir tatsächlich keinen Wettbewerb brauchen in der Wirtschaft. Wir können stattdessen in Freiheit den Bedürfnissen der Menschen folgen (durch die Licht tragende Kraft des Menschen). In der Wirtschaft stellen wir die Frage nach «relevance and efficiency». Die Frage der Effizienz ist eine ganz andere als die, nach der Relevanz. Wir müssen uns sowohl fragen, ob die Menschen unsere Produkte wirklich brauchen, als auch, ob sie von uns effizient hergestellt werden können. «Wenn wir sehen, dass ein anderer 300 Meter von uns entfernt eine Produktionsanlage errichtet, ist das Einzige, was wir tun können, uns nicht in den Wettbewerb zu begeben oder wettbewerbsorientiert zu denken. Wir müssen nach innen gehen und in allem was wir tun menschlich sein, ein Kunstwerk schaffen, damit der Markt es sieht, ....»2
Zur Gleichheit: Hier beschäftigen wir uns mit der Vertragssphäre. Und zwar mit den Verträgen, die wir gegenüber den Kunden, unseren Mitarbeitern, aber auch der Regierung gegenüber, einhalten müssen. «In der südafrikanischen Rechtsprechung ist eigentlich kein Platz für assoziatives Denken. Assoziatives Denken würde in unserer Branche bedeuten, dass wir große Betonfertigteilwerke nicht im selben Gebiet errichten. Vielmehr würden wir assoziativ die Standorte der Werke dort planen, wo sie gebraucht werden, sodass es nicht zu viele oder zu wenige für die Bedürfnisse der Menschen gibt. Wir würden auch gemeinsame Schulungen durchführen und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden an diesen Standorten gemeinsam nutzen. Wir würden uns auf eine Preisgestaltung einigen, sodass man nicht zu viel Gewinn macht, aber genug, um im nächsten Jahr wieder zu produzieren. Innerhalb der heutigen Rechtsstruktur ist das nicht möglich –«3
IH: Wie funktioniert euer Gleichstellungsausschuss?:
DA: Alle drei Monate machen wir eine Umfrage unter den Mitarbeitern. Die Frage, die wir stellen ist: «was ist nicht fair, und wir schlagt ihr vor, das Problem zu beheben?» Die Leute können dabei anonym angeben, was sie bemängeln. Dann diskutieren wir mögliche Veränderungen und publizieren, was wir geändert haben.
Dreimal im Monat kommt ein Pantomime, ein Künstler, der den Mitarbeitern ihre Arbeit spiegelt. Zwei mal im Monat trommeln wir auch für 20min zusammen in Gruppen von 15-20 Leuten. Alles, was wir den Mitarbeitern bieten, können sie selbstverständlich in der Arbeitszeit machen.
IH: Wie ermutigst du Menschen mehr Verantwortung zu übernehmen und mehr Achtsamkeit für das Gesamtunternehmen zu entwickeln?
DA: In unserer dreigliedrigen Managementstruktur gibt es Dreigliederungsmeetings, in denen die Bereiche sich gegenseitig spiegeln, in denen die Leute hören, was sie alles füreinander tun und tun könnten. Es geht darum, dass die Mitarbeiter ein Gleichgewicht erleben zwischen den verschiedenen „Kräften“, die innerhalb der sozialen Ordnung real sind.
Dazu dient auch eine Wippe, die wir gebaut haben. Sie besteht aus drei «Armen». Alle drei Arme müssen im Gleichgewicht gehalten werden. Wenn ein Mitspieler sich zu weit vor oder zurück neigt, kommt sie aus dem Gleichgewicht.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir die Mitarbeiter hier nicht verweichlichen. Wir konfrontieren die Menschen und fordern sie auf selbst nachzudenken und die Dinge zu reflektieren.
IH: Was sagst du Unternehmern, die meinen, sie könnten es sich nicht leisten in der Art und Weise auf die Mitarbeiter einzugehen und einen derartigen Aufwand zu betreiben?
DA: Ich sage ihnen, dass sie es sich nicht leisten können, es nicht zu tun. Wenn wir nicht bei den einzelnen Menschen im Unternehmen anfangen grundlegende Veränderungen einzuleiten, werden wir es nie schaffen, unsere Welt zu verändern.
IH: Hast du dein Unternehmen unverkäuflich gemacht?
DA: Ja, das habe ich. Ich musste einer Übertragung in eine Stiftung (Trust) zustimmen und sicherstellen, dass ich eine Rente erhalte. Aber ich nehme nur wenig für mich selbst in Anspruch.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass ich jederzeit bereit bin, Menschen hier zu empfangen und ihnen alles zu zeigen, was wir hier machen. Man kann sich alles ansehen und auch mit allen hier sprechen, wenn man möchte. Ich komme auch gerne vorbei um davon zu erzählen was wir hier machen.
IH: Lieber David, ich danke dir für das Gespräch!
David Wertheim Aymes wurde in einer anthroposophische Familie aus Europa in Südafrika geboren. Sein Vater leitete Weleda Südarfika.
Das Interview wurde auf Englisch geführt.
Empfohlener Beitrag von Seth Jordan: Listen (11 min): How can we work for threefolding?
1 https://dasgoetheanum.com/werkzeug-der-engel-werden/
2Ebd.
3Ebd.